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  • Writer's pictureJuliane Fois

Die Person ins Zentrum stellen – aber wie?

Updated: Apr 28, 2022

Wie die veränderte Anspruchshaltung der Bevölkerung gegenüber dem Gesundheitswesen die medizinische Versorgung beeinflusst.


In den letzten Jahren konnte ein kontinuierlicher Wandel in den Erwartungen der Patienten an das Gesundheitssystem sowie an ihre Behandlung festgestellt werden. Während bis vor kurzem vor allem Themen wie die Kommunikation zwischen Patienten und deren Arzt oder Wartezeiten auf Termine Kernpunkte der Unzufriedenheit der Patienten darstellten, zeigen jüngste Entwicklungen einen deutlichen Wandel in den Erwartungen und im Verhalten der Patienten gegenüber dem Gesundheitssystem. Sie wollen immer noch geheilt werden, aber darüber hinaus wollen sie ihre Fälle verstehen und zunehmend in medizinische und therapeutische Entscheidungen miteinbezogen werden. Patienten sind nicht mehr nur Patienten, sondern Leistungsempfänger und Kunde des Gesundheitssystems und erwarten sich somit auch «customer-centric Services». Ein wichtiger Aspekt, den es hier zu erläutern gilt, ist, dass der Begriff Leistungsempfänger ein viel breiteres Spektrum abdeckt als nur den klassischen Patienten. Denn zum Beispiel der ganze Bereich der «preventive care» bemüht sich ja genau darum zu verhindern, dass Menschen zu Patienten werden. Es ist somit notwendig, dass nicht nur der Patient im Zentrum steht, sondern allgemein der healthcare consumer, also der Empfänger von Gesundheitsleistungen. Die Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse durch individualisierte, patientenzentrierte Behandlungen gewinnt deshalb immer mehr an Bedeutung. Eine ganzheitliche Versorgung, bestmögliche Ergebnisse und möglichst geringe Auswirkungen auf ihren Alltag wird von Patientenseite zunehmend angestrebt und eingefordert. Der Ansatz des «Design Thinking» wird dabei unter den Leistungserbringern im Gesundheitswesen immer populärer.


Diese Entwicklung wird unter anderem durch den einfachen Zugang zu internetbasierten Gesundheitsdiensten wie Online-Gesundheitsführern, Online-Gesundheitsportalen oder Online-Konsultationen verstärkt. Studien haben gezeigt, dass 71% der Internetnutzer das Internet bereits für Gesundheitsfragen genutzt haben. Häufig wird das Internet als Quelle genutzt, um Informationen und Wissen über Symptome, Behandlungen oder andere gesundheitsbezogene Themen zu recherchieren, um Gleichaltrige zu finden, mit denen sie Wissen und Fragen austauschen können, oder als Hilfe bei der Entscheidung, ob sie einen Arzt konsultieren sollen oder nicht. Die Möglichkeit der Online-Gesundheitsfürsorge scheint demnach eine geeignete Innovation zu sein, den Bedürfnissen derjenigen Patienten gerecht zu werden, die sich mehr Unabhängigkeit und Differenzierung bei der Beschaffung von Informationen wünschen und nicht nur von der Vorgehensweise ihrer Ärzte oder der medizinischen Diagnose abhängig sein möchten.


Daneben ist aber noch eine weitere bedeutende Entwicklung in den Bedürfnisstrukturen der Menschen zu verzeichnen: Sie übernehmen verstärkt Verantwortung und Pflege für ihre eigene Gesundheitssituation. Die Nachfrage nach ganzheitlicher Gesundheit durch die Verbindung von körperlicher und geistiger Behandlung sowie Pflege wächst zunehmend. Sie wollen in die Lage versetzt werden, Eigenverantwortung zu übernehmen, indem sie von ihrem Arzt gut über verschiedene Möglichkeiten der Prävention, Behandlung und Rehabilitation informiert werden. Ebenfalls werden ärztliche Entscheidungen häufiger hinterfragt und durch das Einholen von Zweitmeinungen abgesichert. Der Wunsch nach patientenzentrierten und wertebasierten Behandlungen, die sich am individuellen Fall orientieren und den Patienten in die medizinische und therapeutische Entscheidungsfindung einbeziehen und daran beteiligen verstärkt sich zunehmend. Auf diese Weise fühlen sich Patienten aktiviert, ihre eigenen Ressourcen zu stärken und mit den Schwierigkeiten, die sich aus ihrer Krankheit ergeben, umzugehen. Diese Entwicklung kann befähigte Patienten, die zunehmend autonom agieren und eigenverantwortliche Entscheidungen in Bezug auf ihr Gesundheitsverhalten und ihre ärztliche Betreuung treffen, hervorbringen. Dies führt nicht nur zu glücklicherem und schnellerem Genesen der Patienten, sondern bringt auch einige wirtschaftliche Vorteile für das Spital und letztlich auch für das Gesundheitssystem im Allgemeinen mit sich.


Mit Blick in die Zukunft werden Patientenzentriertheit, Selbstmanagement und Empowerment immer wichtigere Themen im Gesundheitswesen sein. Der demokratische Wandel und die damit verbundenen Alterung der Bevölkerung, sowie die kontinuierlich steigende Anforderung an die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems, tragen dazu bei. Spitäler und andere Betriebe im Gesundheitswesen sollten sich bemühen, ihre Prozesse dahingehend zu erweitern und zu verbessern, mehr Patientenzentriertheit, Transparenz und Einbeziehung der Patienten und ihrer Angehörigen, zu erreichen und in den Fokus zu rücken. Eine Steigerung der Zufriedenheit der Patienten, eine Erhöhung der Compliance und ein verbessertes Selbstmanagement der Patienten nach einem Spitalaufenthalt können eine positive Entwicklung daraus sein.

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